Die Jahresabrechnung und der Beschluss über die Nachschüsse – und er ist doch teilweise anfechtbar!

Von Rechtsanwalt und FAMuW, Dr. jur. Marco Tyarks, Hamburg

Vor der WEG-Reform 2020 war es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs möglich, die Jahresabrechnung auch teilweise anzufechten und teilweise für ungültig zu erklären. Nach der WEG-Reform 2020 sollte der Beschluss über die Nachschüsse nach der oberinstanzlichen Rechtsprechung hingegen nicht mehr teilweise anfechtbar sein. Diesen Irrweg räumt der Bundesgerichtshof nun mit Urteil vom 11.04.2025 – V ZR 96/24 wieder ab. Es bleibt dabei: Der Beschluss über die Nachschüsse kann auch teilweise angefochten und für ungültig erklärt werden.

Ausgangslage

Nach der bisherigen Rechtsprechung war die gerichtliche Ungültigerklärung eines Beschlusses über die Jahresabrechnung auf einen bestimmten Teil der Abrechnung zu beschränken, wenn es sich um einen rechnerisch selbstständigen und abgrenzbaren Teil der Abrechnung handelte. So war es etwa möglich, die Ungültigerklärung auf Einzel-abrechnungen, einzelne Kostenpositionen oder Verteilungsschlüssel zu beschränken. Ob die Ungültigkeit eines Teils der Abrechnung zur Gesamtungültigkeit führte, richtete sich danach, ob der unbeanstandet gebliebene Teil der Abrechnung allein sinnvollerweise Bestand haben konnte und anzunehmen war, dass ihn die Wohnungseigentümer so beschlossen hätten. In der Regel war von der Gesamtungültigkeit der Jahresabrechnung nicht auszugehen, weil die Restabrechnung noch nachvollziehbar war.

Wollte der anfechtende Wohnungseigentümer die Anfechtungsklage nicht teilweise verlieren, musste er sich bisher auf die Anfechtung derjenigen Positionen in der Jahresabrechnung beschränken, die nach seiner Auffassung nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entsprachen. Dies hatte den Vorteil, dass die Jahresabrechnung im Übrigen rechtskräftig wurde und sich die Korrektur der Jahresabrechnung auf diejenigen Positionen beschränken konnte, die das Gericht für unwirksam erklärte.

Im Rahmen der WEG-Reform 2020 hat der Gesetzgeber die Systematik der Beschlussfassungen im Zusammenhang mit dem Wirtschaftsplan und der Jahresabrechnung grundlegend geändert. Beschlossen werden nicht mehr die Jahresabrechnung und der Wirtschaftsplan an sich. Die Wohnungseigentümer beschließen lediglich noch über die Vorschüsse zur Kostentragung und zu den vorgesehenen Rücklagen (§ 28 Abs. 1 S. 1 WEG) und über die Einforderung von Nachschüssen oder die Anpassung der beschlossenen Vorschüsse (§ 28 Abs. 2 S. 1 WEG), die sich aus dem Wirtschaftsplan und der Jahresabrechnung ergeben. Damit wollte der Gesetzgeber erreichen, dass eine Anfechtungsklage gegen die Beschlüsse grundsätzlich nur noch Erfolg haben kann, wenn sich ein „Fehler“ in der Jahresabrechnung und dem Wirtschaftsplan auch auf die konkreten Zahlungsverpflichtungen des anfechtenden Wohnungseigentümers auswirkt.

Die überwiegende oberinstanzliche Rechtsprechung und Literatur ging aufgrund der Änderungen des § 28 Abs. 1 und 2 WEG davon aus, dass auch eine Teilanfechtung des Jahresabschlusses nicht mehr möglich war. Da Beschlussgegenstand nur noch die so genannte Abrechnungsspitze, also der Betrag, den der einzelne Wohnungseigentümer auf Basis des Jahresabrechnung zu zahlen hat, sei, könne sich eine Anfechtung nicht auf einzelne Kostenposten beziehen. Diese Auffassung hat der Bundesgerichtshof nun mit Urteil vom 11.04.2025 – V ZR 96/24 wieder abgeräumt.

Entscheidung des Gerichts

Den Bundesgerichtshof überzeugte die überwiegende oberinstanzliche Rechtsprechung und Literatur nach der WEG-Reform 2020 nicht. Er hält auch nach der Änderung des § 28 Abs. 1 und 2 WEG an seiner bisherigen Rechtsprechung fest. Der Beschluss über die Einforderung von Nachschüssen oder die Anpassung der beschlossenen Vorschüsse kann teilweise angefochten bzw. für ungültig erklärt werden. Vorauszusetzen ist, dass die Abrechnungsspitze eine rechnerisch selbstständige und abgrenzbare fehlerhafte Kostenposition enthält und anzunehmen ist, dass die Wohnungseigentümer den Beschluss auch mit dem unbeanstandet gebliebenen Teil gefasst hätten.

Denn die Abrechnungsspitze stellt nach der Konzeption des Gesetzes lediglich das Rechenergebnis aus den anteilig zu verteilenden Kostenpositionen dar. Fassen die Wohnungseigentümer daher unter Bezugnahme auf die Jahreseinzelabrechnungen den Beschluss, halten sie damit zugleich auch an den der Berechnung zugrundeliegenden einzelnen Kostenpositionen als Grundlage ihrer Zahlungspflichten fest. Die einzelnen Kostenpositionen werden abgrenzbare Teile der Abrechnungsspitze.

Den Wohnungseigentümern sei ferner daran gelegen, die der Beschlussfassung unterliegenden Angelegenheiten möglichst abschließend zu bewältigen und weitere Zusammenkünfte auf das unabdingbare Mindestmaß zu beschränken. Würde stets der gesamte Beschluss für ungültig erklärt werden, könnten in einer folgenden Anfechtungsklage auch weitere Anfechtungsgründe angeführt werden, die in dem vorausgegangenen Rechtsstreit noch keine Rolle spielten. Es droht ein ewiger Streit um die Jahresabrechnung.

Schließlich würden sich auch die Kosten des Rechtsstreits erheblich erhöhen, wenn der Beschluss über die Nachschüsse nicht teilweise anfechtbar wäre. Denn ginge man von einer Unteilbarkeit des Beschlusses über die Einforderung von Nachschüssen oder Anpassung beschlossener Vorschüsse aus, wäre ein Wohnungseigentümer unabhängig von der Höhe seiner Beanstandungen gezwungen, den Beschluss in jedem Fall in Gänze anzufechten, was zu einer erheblichen Kostenerhöhung führt.

Bewertung der Rechtsprechung und Ausblick

Es ist zu begrüßen, dass der Bundesgerichtshof die irrlichternde oberinstanzliche Rechtsprechung wieder eingefangen hat. Abzuwarten bleibt, wie sich die Entscheidung des Bundesgerichtshofs auf die Verfahren in zweiter Instanz auswirkt, in denen in erster Instanz noch der gesamte Beschluss über die Einforderung von Nachschüssen oder die Anpassung der beschlossenen Vorschüsse für ungültig erklärt wurde.

 

Der Text erschien zuerst im AIZ – Das Immobilienmagazin, Ausgabe 5/2025

Ansprechpartner

Bundesverband

Rechtsberaterin Referat Immobilienverwalter

Der Beitrag Die Jahresabrechnung und der Beschluss über die Nachschüsse – und er ist doch teilweise anfechtbar! erschien zuerst auf IVD.

Zurück

Diese Webseite verwendet Cookies um alle Funktionen voll nutzbar zu machen und die Zugriffe auf unsere Website zu analysieren. Weitere Informationen finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.
Zustimmen