Neustart an der Spitze des Bauministeriums: Die Sozialdemokratin Verena Hubertz aus Trier kam vergleichsweise überraschend ins Amt. Die Mitgründerin der Koch-App „Kitchen Stories“ sitzt seit 2021 für die SPD im Bundestag, zuletzt als stellvertretende Fraktionsvorsitzende. Den Unternehmerblick will sie als Ministerin behalten – mit dem Anspruch, die Bagger wieder rollen zu lassen. Im Gespräch mit dem AIZ-Immobilienmagazin erläutert Hubertz, wie digitale Bauanträge flächendeckend kommen sollen und was der „Bau-Turbo“ in der Praxis leisten kann. Zugleich beschreibt die Branche einen Widerspruch: Während Beschleunigung das Ziel ist, werden die Verlängerung der Mietpreisbremse und weitere Eingriffe als Investitionshemmnis gesehen. Hubertz hält dagegen, Vermieter sollten nicht unter Generalverdacht gestellt werden, und setzt auf den fortgesetzten Austausch mit der Immobilienwirtschaft.
„Vermieter nicht unter Generalverdacht stellen“ – Im Dialog mit Ministerin Verena Hubertz MdB
AIZ-Immobilienmagazin: Sie haben in Wohngemeinschaften gelebt und Wohnungssuche erlebt. Wie prägt das heute Ihre Sicht auf die Wohnungspolitik?
Verena Hubertz: Ich sehe vor allem, dass die Bedarfe sehr unterschiedlich sind. Studierende, Familien mit Kindern oder Rentnerinnen und Rentner: In jedem Lebensabschnitt sind die Ansprüche und Erwartungen an den Wohnungsmarkt unterschiedlich. Um dem gerecht zu werden, müssen wir mehr bezahlbaren Wohnraum schaffen. Daran arbeite ich.
Sie waren Start-up-Unternehmerin, bevor Sie Bauministerin wurden. Wie wirkt sich das auf Ihre Erwartungen an die Effizienz von Regierungshandeln und öffentlicher Verwaltung aus?
Natürlich war der Wechsel vom Startup-Unternehmen in die Politik erst einmal eine Umstellung. Ein Unternehmen funktioniert von oben nach unten. In der Politik aber müssen sie Mehrheiten organisieren und Kompromisse finden. Was Politik und Startup aber eint, ist der Gestaltungswille. Sie wollen Ideen voranbringen, Probleme lösen und Dinge besser machen. Im Bauministerium bin ich auf viele engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter getroffen, hochmotiviert, die Themen des Ministeriums voranzubringen.
Wie steht es beispielsweise um den "digitalen Bauantrag" bundesweit?
Wir müssen digitaler werden, denn niemandem ist in der heutigen Zeit noch zu vermitteln, dass ein Bauantrag in Papierform gestellt werden muss. In den meisten Bundesländern wird die digitale Baugenehmigung bereits heute genutzt. Aktuell arbeiten wir daran, die vollständige Abdeckung zu erreichen. Drei Bundesländer verfolgen noch eigenen Lösungen, die zum Teil bereits lange vor dem Online-Zugangsgesetz (OZG) angestoßen wurden. Mit der attraktiven Weiterentwicklung der digitalen Baugenehmigung im Rahmen der sogenannten „Einer-für-Alle“ Lösung möchten wir auch diese Bundesländer davon überzeugen, sich anzuschließen. Im Übrigen sind bereits heute rund 30.000 Bauanträge digital gestellt worden. Es bewegt sich also etwas.
Sie wollen die Bagger wieder rollen lassen. Was planen Sie, um Kommunen Anreize zu geben, den nunmehr beschlossenen "Bau-Turbo" auch wirklich zu nutzen?
Mit dem Bau-Turbo wollen wir nicht nur den Wohnungsbau beschleunigen, sondern auch die Gemeinden entlasten. Wenn zukünftig in vielen Fällen keine Aufstellung oder Änderung eines Bebauungsplans mehr erforderlich ist, um etwa durch Aufstockung im großen Stil oder Nachverdichtung Wohnraum zu schaffen, dann entlastet das vor allem auch die knappen personellen wie finanziellen Ressourcen der Kommunen. Das allein ist schon ein Anreiz, insbesondere dort, wo Wohnraum dringend benötigt wird. Zudem kann die Gemeinde ihre für die Anwendung des Bau-Turbos erforderliche Zustimmung auch an Bedingungen knüpfen und so zum Beispiel sicherstellen, dass ein Anteil an Sozialwohnungen entsteht oder Kosten für Folgeeinrichtungen wie Kindertagesstätten oder die infrastrukturelle Anbindung zu einem angemessenen Teil übernommen werden.
Sollte der Status „angespannter Wohnungsmarkt“ und die damit einhergehende Mietenregulierung an eine kommunale Baulandstrategie und messbare Fortschritte beim Ausbau des Wohnungsangebots geknüpft werden?
Das Gesetz zur Verlängerung der Mietpreisbremse ist vor kurzem in Kraft getreten. Damit haben die Länder die Möglichkeit, bis Ende 2029 Gebiete als angespannte Wohnungsmärkte zu bestimmen, in denen die Mietpreisbremse gelten und die Neuvertragsmiete begrenzt werden soll. Voraussetzung für einen „angespannten Wohnungsmarkt“ ist, dass die Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum besonders gefährdet ist. Dafür gibt es bestimmte Indizien, wie geringer Leerstand oder deutlich steigende Mieten. Auf die Aufnahme weiterer Bedingungen, wie eine kommunale Baulandstrategie, wurde bewusst verzichtet. Auch wenn dies ein wichtiges Instrument ist – die weitere Ausweisung der angespannten Wohnungsmärkte hätten wir damit verkompliziert und vielleicht auch verzögert.
Aus dem Sondervermögen haben Sie für Ihr Ressort elf Milliarden Euro gesichert. Sind das 100 Prozent zusätzliche Mittel und wie genau erfolgt die Umsetzung?
Die elf Milliarden Euro aus dem Sondervermögen sind größtenteils für die Eigentumsförderung bestimmt, etwa für die Unterstützung von Familien. Aber auch der klimafreundliche Neubau wird gestärkt. Es bleibt aber nicht bei dieser Summe. Wir haben die Mittel für den sozialen Wohnungsbau deutlich aufgestockt. Von 2025 bis 2029 stellt allein der Bund hierfür eine Rekordsumme von 23,5 Milliarden Euro zur Verfügung. Die Länder verdoppeln diese Summe mindestens. Das ist ein ganz wichtiger Baustein, damit langfristig mehr bezahlbarer Wohnraum entstehen kann.
In der Maßnahmenplanung Ihres Ministeriums ist vorgesehen, die im Koalitionsvertrag angekündigte Reform der Neubauförderung erst in 2027 umzusetzen. Angesicht der krisenhaften Lage im Wohnungsbau: Warum wollen Sie sich so lange Zeit lassen, um Investitionen zu erleichtern?
Die Förderprogramme laufen aktuell alle weiter. Aber natürlich wollen wir entbürokratisieren. Ich möchte, dass es künftig nur noch zwei Förderprogramme gibt: Eines für den Neubau, eines für Sanierung. Die Gespräche zur Umsetzung dazu führe ich gerade.
Der SPD-Bundesparteitag hat zehn Forderungen zur weiteren Verschärfung des Mietrechts beschlossen. Können Sie nachvollziehen, dass sich private Vermieter, deren Verhältnis zu ihren Mietern in den allermeisten Fällen völlig ungetrübt ist, sich unter Generalverdacht gestellt fühlen?
Der Beschluss vom SPD-Parteitag enthält viele gute Vorschläge, wie wir zu mehr bezahlbarem Wohnraum kommen. Einiges davon haben die Koalitionsfraktionen auch bereits im Koalitionsvertrag vereinbart, wie etwa die Regulierung von Kurzzeit- und möblierter Vermietung und von Indexmieten oder die Überarbeitung des Mietwucher-Paragraphen. Hierbei geht es insbesondere darum, die schon bestehende Mietpreisregulierung auf dem Markt effektiv durchzusetzen. Denn hier sehen wir in manchen Fällen Übertreibungen bei den verlangten Mieten, die sich bei korrekter Anwendung des Gesetzes gar nicht erklären lassen. Es geht nicht darum, Vermieter unter Generalverdacht zu stellen. Ganz im Gegenteil.
Haben Sie Sorge, dass die vom SPD-Bundesparteitag geforderte Verschlechterung der Umlagefähigkeit von Modernisierungskosten den langfristigen Erhalt guten Mietwohnraums und die Erreichung der Klimaschutzziele im Gebäudesektor gefährdet?
Modernisierungen, auch im Kontext von Klimaschutz, müssen sozialverträglich sein. Das ist mir wichtig. Mit der Sanierung verbundene Mieterhöhungen dürfen nicht dazu führen, dass Menschen ihre Wohnungen verlieren. Im Koalitionsvertrag wurde daher vereinbart, dass die Modernisierungsumlage so zu ändern ist, dass zum einen klimafreundliche Investitionen in die Wohnungsbestände angereizt werden und zum anderen die Bezahlbarkeit der Mieten gewährleistet bleiben kann. Das müssen wir zueinander bringen, damit Klimaschutz im Gebäudesektor sozialverträglich gelingt.
Was würden Sie einem jungen Menschen sagen, der überlegt, eine Ausbildung in der Bau- oder Immobilienwirtschaft zu machen? Was spricht in Ihren Augen für eine berufliche Zukunft in diesem Wirtschaftsbereich?
Deutschland ist nicht fertig gebaut. In den nächsten Jahren und Jahrzehnten ist in der Baubranche viel Musik drin. Und das betrifft ja ganz unterschiedliche Ausbildungsberufe, denn die Tätigkeiten sind sehr vielfältig. Da sollte jeder und jede schauen, ob das nicht ein lohnendes Berufsfeld sein kann.
Sie selber waren ja Teil des Bündnis Bezahlbarer Wohnraum, das von Ihrer Vorgängerin Klara Geywitz initiiert wurde. Wird es eine Fortsetzung oder eine Neuauflage in anderer Konstellation geben?
Den Dialog zwischen Politik, Verwaltung und Wirtschaft halte ich für sehr wichtig und ich möchte ihn gerne fortführen. Wie und in welcher Form, diskutieren wir gerade.
Veröffentlicht im AIZ-Immobilienmagazin, AIZ 9/ 2025
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Der Beitrag „Vermieter nicht unter Generalverdacht stellen“ – Im Dialog mit Ministerin Verena Hubertz MdB erschien zuerst auf IVD.